Du willst etwas bewirken?
Dann los! Schicke uns deine ausgefüllte Beitrittserklärung und unterstütze unser Team!
Welche Personengruppe ist besonders anfällig ein Problem mit Sportwetten zu entwickeln?
Das lässt sich recht eindeutig beantworten: Junge, männliche Mitglieder von Sportvereinen wetten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger und sind auch anfälliger, ein risikoreiches Verhalten zu entwickeln. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sie glauben, aufgrund ihrer Fußballkenntnisse einen Einfluss auf ihren Wetterfolg zu haben. Oftmals weist diese Personengruppe zudem einen Migrationshintergrund auf.
Quelle: Glücksspiel-Survey 2021
Wie hoch ist der Kompetenzanteil bei Sportwetten? Kann ich mein Fachwissen zu Geld machen?
Sportaffine bzw. sportinteressierte junge Männer wetten besonders häufig. Sie sind der festen Überzeugung, dass ihr Sportwissen (Verletzungsstatus, Trainingsstand, bisherige Leistung, Stand in der Tabelle, Heimvorteil etc.) ihnen hilft, richtige Wettentscheidungen zu treffen.
Verschiedene Untersuchungen konnten inzwischen zeigen, dass dies eine Fehleinschätzung ist. Eine Kontrollgruppe aus Frauen, die mit Fußball nichts zu tun hatten, konnte gegen erfahrene Sportjournalisten ein Pari (im Minus) erreichen. Beide hatten die gleiche Summe Geld zur Verfügung. Getippt wurden jeweils 27 Bundesligaspieltage. Die Sportjournalisten (Expertengruppe) erzielten die meisten richtigen Treffer und die Frauen (Laiengruppe) – mit ihren teilweise exotischen Außenseitertipps – einige höhere Gewinne. Das Ende vom Lied: Nach Abschluss der Saison hatten beide Gruppen in etwa gleich hohe Verluste. Eine israelische Studie mit drei Versuchsgruppen (Fußballfans, Glücksspieler*innen mit Sportwetterfahrung und Menschen, die weder Sportwissen noch Glücksspielerfahrung hatten) kam zu einem ähnlichen Resultat. Alle wetteten auf 16 Spiele der europäischen Champions League. Das Ergebnis war: Die Erfolgsquoten der drei Gruppen unterschieden sich nicht. Deutlicher als in diesen beiden Experimenten lässt sich die Überschätzung des „Fachwissens“ bei Sportwetten kaum nachweisen.
Wer etwas tiefer ins Thema einsteigen möchte, dem sei die Übersichtsarbeit von Kalke, Schmidt & Hayer empfohlen, in die insgesamt neun Tippstudien einbezogen wurden.
Quellen: Express, ScienceDaily und Thieme
Gelten für alle Glücksspiele die gleichen Werberegularien?
Nein, der Gesetzgeber hat für Sportwetten zum Teil wesentlich lockerere Regelungen verabschiedet. So darf für Casinospiele wie z.B. Slots oder Poker nur zwischen 21 Uhr und 6 Uhr im TV und im Internet geworben werden. Sportwetten-Werbung ist hiervon ausgenommen. Sogar in der Halbzeit von Bundesligaspielen werden Spots von Wettanbietern gesendet. Da hilft nur: Ton aus und Augen zu!
Zahlen die Sportwettanbieter Steuern? Falls ja: an wen? Wie hoch sind diese Steuereinnahmen?
Ja, es wird eine Wettsteuer erhoben. Die Anbieter müssen von den Einsätzen ihrer Kund*innen mit deutschem Wohnsitz eine Wettsteuer in Höhe von 5,3 Prozent an das Finanzamt abführen. Die Steuer wird zentral vom Finanzamt Frankfurt/Main III eingezogen und nach dem Königsteiner Schlüssel vierteljährlich an die Bundesländer verteilt. Das Aufkommen aus dieser Steuer hat sich zwischen 2013 und 2019 von 189 Mio. € auf 464 Mio. € pro Jahr erhöht. Nordrhein-Westfalen hat z.B. für das Jahr 2022 einen Haushaltsansatz von 130 Mio. € für Einnahmen aus der Sportwettsteuer angesetzt.
Gibt es Funktionäre oder Trainer aus der Bundesliga, die sich kritisch zu Sportwettenwerbung geäußert haben?
Es gibt bisher nur sehr wenige kritische Äußerungen von prominenten Vertretern der Bundesliga. Bekannt sind die Äußerungen von Kay Bernstein (Präsident von Hertha BSC) und von Christian Streich (Trainer SC Freiburg), die sich beide sehr deutlich positioniert haben.
Kay Bernstein wurde im Juni 2022 im Interview mit t-online.de u.a. folgende Frage gestellt:
Sie sprechen sich klar gegen die Zusammenarbeit mit Wettanbietern aus. Liegt das an einer persönlichen Erfahrung?
Kay Bernstein: Ich habe in meinem Umfeld gesehen, wie schnell junge Menschen in diese Falle tappen können. Auch mit der zunehmenden Digitalisierung. Früher war das anders, als du für jeden Schein in ein Büro ans andere Ende der Stadt fahren musstest. Die Hürde war eine andere. Das Wetten gab es zwar schon immer, aber in den letzten drei Jahren hat sich das nochmal geändert. Wir machen Sky, DAZN oder Amazon an und kommen an diesem Thema nicht vorbei. Mir geht es darum zu sagen: Brauchen wir dieses Geld? Wir sollten nicht die Fans in die Hände der Wettmafia jagen.
Ähnlich Christian Streich, der in dem inzwischen legendären Interview mit der New York Times äußerte:
Wenn ein Spiel im Fernsehen läuft und ein Werbespot für Glücksspiele erscheint, wird Schaden angerichtet. Die Werbung wird gezeigt, damit wir so viel Geld verdienen. Das ist falsch. Die Werbung sollte nicht da sein, denn die Kinder sehen sich das Spiel an, und da ist eine Werbung, die sie zum Wetten auffordert. Aber viele Leute werden krank, wenn sie wetten.
(Original: Damage is done when a game is on television and an ad for gambling comes on. The ad is on so that we earn so much money. That is wrong. The ad shouldn’t be there, because kids are watching the game, and there’s an ad here telling them to bet. But lots of people get sick when they bet.)
Gibt es in Deutschland Politiker*innen, die sich kritisch zu Werbung für Sportwetten geäußert haben?
Ja, zum Glück gibt es über alle Parteien hinweg einige wenige Personen, die sich auf die Schattenseiten dieses Geschäfts beziehen und sich für strengere Regulierungen einsetzen.
Der bekannteste Vertreter ist der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der sich bereits mehrfach öffentlichkeitswirksam für ein Verbot von Sportwetten-Werbung ausgesprochen hat. Im Juni 2022 formulierte er es in einem Interview mit der WELT so:
Massive Werbung ist das Vehikel, um neue Kunden unter den Nichtspielern zu werben, vornehmlich junge, sportaffine, fußballinteressierte Männer, denen man suggeriert, Wetten gehöre einfach zum Fußballspiel dazu. Und die heimliche Botschaft dahinter lautet: Wenn ihr euch mit Fußball auskennt, dann könnt ihr auch wetten. Die sozialen Auswirkungen davon sind erheblich. Denn betroffen ist meistens nicht der Zocker alleine, oft wird die ganze Familie ruiniert. In anderen europäischen Ländern wie Spanien und Italien ist Werbung für Sportwetten deswegen bereits untersagt.
Sein hessischer Innenminister-Kollege Peter Beuth (CDU), der u.a. dadurch bekannt ist, dass er häufig Gast bei Veranstaltungen und Feiern des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV) ist, hält von diesem Ansinnen nichts. Er hat die Forderung als großen Käse bezeichnet.
Ganz anders die GRÜNEN-Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann – die sich als Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages und langjährige Leiterin der Hamburger Landesstelle für Suchtfragen auch beruflich mit Glücksspielsucht gut auskennt. Sie hat die Bremer Pläne bereits Ende 2021 auf Twitter zustimmend kommentiert:
Bremen will den Glücksspielstaatsvertrag nachbessern und Werbung für Online-Glücksspiel untersagen. Gut so, Suchthilfeverbände fordern das schon lange. Hoffentlich ziehen viele Länder mit!
Auch Philip Krämer – GRÜNEN-Politiker aus Hessen und Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestags – sieht Handlungsbedarf in Bezug auf eine stärkere Regulierung der Sportwetten. Gegenüber Merkur.de äußerte er sich im Januar 2022 wie folgt:
Die Werbungen sind oftmals sehr martialisch, sollen also den Wunsch nach einem Wettkampf wecken oder suggerieren, dass man durch umfangreiches Wissen viel Geld gewinnen kann. Beides ist in höchstem Maße manipulativ. Daher ist die Zunahme der Werbung für Sportwetten höchst problematisch und sollte von der Politik regulierend angegangen werden.
Daniela Ludwig (CSU) – Drogenbeauftragte der Bundesregierung bis 2021 – hat sich in diesem Zusammenhang ebenfalls kritisch geäußert. Der Süddeutschen Zeitung gegenüber sagte sie:
Nach wie vor ist Fußball die Sportart Nummer eins und hat eine unglaublich große Vorbildfunktion überall auf der Welt, gerade für Kinder und Jugendliche wäre es sicherlich der richtige Schritt, wenn hier in Deutschland Sportwettenanbieter nicht als Werbepartner oder Sponsoren fungieren.
Ihr Nachfolger im Amt – Burkhard Blienert (SPD) – wendet sich generell gegen Werbung für potentielle Suchtmittel und schließt Glücksspiele dabei ein. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte er, es sei
erforderlich, die Werbemöglichkeiten für Alkohol und Tabak ganz deutlich zu beschränken: Auch die Werbung für Glücksspiel halte ich für unangebracht. [Hier liegt] die Verantwortung allerdings nicht beim Bund, sondern den Ländern.
Quellen: Welt, Games und Business, Linda Heitmann @Twitter, Merkur, Süddeutsche Zeitung und Redaktionsnetzwerk Deutschland
Gibt es einen Verein in der 1. Bundesliga, der keine Werbung für Sportwetten macht?
Nein, leider nicht. Es gibt aktuell nur zwei Vereine in der 1. Bundesliga, die „nur“ für Lotto Werbung machen, nämlich der FC Augsburg und der SC Freiburg. Der Verein aus dem Breisgau hatte in der Vergangenheit aber auch schon Verträge mit Tipico, diese Partnerschaft dann aber bewusst nicht fortgesetzt. Lotto Baden-Württemberg erweitert allerdings gerade sein Portfolio um virtuelle Automatenspiele, Casinospiele sollen folgen.
Quellen: Homepage des SC Freiburg und Badische Zeitung
Welche Vertreter des Sports haben schon Werbung für Sportwetten gemacht?
Es gibt eine ganze Reihe bekannter männlicher Fußballspieler und Trainer (Frauen sind uns nicht bekannt), die bereits Werbung für Sportwetten gemacht haben. Man denke z.B. an Thomas Häßler (Sky Bet), Lukas Podolski (XTiP), Lothar Matthäus (Interwetten, zuvor LeoVegas) oder Jürgen Klopp (BetVictor).
Die prominenteste Werbefigur der Sportwetten Branche ist nach wie vor Oliver Kahn, der viele Jahre Werbung für Tipico gemacht hat und in den Spots für die Aussage steht: Ihre Wette in sicheren Händen.
Das prominenteste Beispiel für Vereine ist der FC Bayern München, der gemeinsam mit seinem Werbepartner Tipico viele Spots veröffentlicht hat, die inzwischen sogar während der Sportschau gezeigt werden. Seit 2015 gehört Tipico zu den so genannten Platin Partnern* der Bayern. Der Vertrag wurde gerade bis 2025 verlängert. Bis 2015 war bwin Platin Partner der Bayern.
Interessant ist dabei auch die Personalie Jörg Wacker, der von Juli 2013 bis September 2021 Vorstand der FC Bayern München AG war. Vor seinem Wechsel war Wacker sieben Jahre lang Geschäftsführer von bwin (früher: betandwin) in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Quelle: Wikipedia
Ist bekannt, wieviel Oliver Kahn mit seinen Tipico-Spots verdient hat?
Ja, laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel hat er – bezogen auf die Jahre 2014-2020 – für seine Werbetätigkeit insgesamt 7,1 Mio. € erhalten.
(Spiegel, 29.5.2021)
Seit einiger Zeit sieht man Oliver Kahn nicht mehr in der Tipico-Werbung. Hat er gekündigt? Oder eingesehen, dass sich das als Sportler nicht gehört?
Weder noch: Seit Inkrafttreten des aktuellen GlüStV am 1. Juli 2022 dürfen aktive Sportler und Funktionäre (wie gesagt, uns sind keine Frauen bekannt, die Werbung für Sportwetten machen) nicht mehr für Wettanbieter werben. In aktuellen Tipico-Spots werden Bayern-Spieler allerdings als Gruppe noch angedeutet. Hierzu hat sich die Glücksspielaufsicht nach unserer Kenntnis noch nicht geäußert. Ehemalige Sportler dürfen noch Werbung machen, nach unserer Kenntnis ist „ehemalig“ allerdings nicht eindeutig definiert. Und eine Vorbildfunktion endet ja nicht mit der aktiven professionellen Ausübung eines Sports…
Werbung für Zigaretten und Schnaps sieht man gar nicht mehr im Stadion. Dafür immer mehr Sportwettenwerbung. Was ist der Hintergrund?
Stimmt, diese Art der Tabakwerbung gehört zum Glück der Vergangenheit an. Tabakwerbung ist nach dem Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) in Form von Bandenwerbung verboten. Alkoholwerbung dagegen ist – zumindest in Bezug auf Bier – nicht so streng reguliert.
Die DFL hat Durchführungsbestimmungen für den Einsatz von Werbung im Stadion verabschiedet. Da heißt es in § 4 Abs. 2, der die Inhalte der Werbung regelt:
(…) Aussagen sowie eine Bezugnahme auf Alkoholika mit über 15 Vol.-% (Volumenprozent) und Tabak sind verboten.
Daran hält man sich auch in den Stadien. Interessant in diesem Zusammenhang ist Abs. 1. Da heißt es:
Inhalte, die mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen (…) unvereinbar sind, sind nicht erlaubt.
Das hat viele Vereine nicht davon abgehalten, Werbung für illegale Glücksspielanbieter zu schalten. Der Erstligist Borussia Mönchengladbach musste noch im April 2022 seitens des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. gerichtlich dazu gebracht werden, eine Unterlassungserklärung abzugeben und die Werbung für einen illegalen Sportwettanbieter zu verhüllen. Die DFL war vorab nicht tätig geworden.
Quellen:
gesetze-im-internet.de, DFL und Rheinische Post
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Werbung für Sportwetten und der Manipulation von Sportwettkämpfen?
Die in den vergangenen Jahren ausufernde, teils aggressive Werbung für Sportwetten verharmlost die Gefahren des Glückspiels und bildet einen idealen Nährboden für die Manipulation von Sportwettkämpfen durch Wettbetrüger. Denn wer sich an Sportwetten beteiligt, kann leicht in (finanzielle) Abhängigkeiten geraten – bis hin zur Spielsucht. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Sportler*innen, Schiedsrichter*innen und Funktionär*innen erpressbar werden oder sich bestechen lassen, um Wettkämpfe zu manipulieren. So ist bekannt, dass das hinter dem „Hoyzer-Skandal“ steckende Netzwerk es gezielt auf wettsüchtige und abhängige Spieler absah (hier gibt es Hintergründe). Glücksspielsucht wird damit zum Einfallstor für Manipulationen, die den offenen Wettbewerb und damit ein wesentliches Element des Sports zerstören.
Dann los! Schicke uns deine ausgefüllte Beitrittserklärung und unterstütze unser Team!